Eine weitere weltbewegende Erneuerung gab es 1926 am Bauhaus in Weimar. Der Krag-Stuhl, auch hinterbeinloser Stuhl und heute Freischwinger genannt, war geboren. Das Prinzip der Stühle mit vier Beinen war gebrochen. Der Gestalter Mart Stam, niederländischer Architekt im Bauhaus, hat sich bei seinem Entwurf strikt am Leitgedanken des Bauhauses gehalten: „Die Reduktion auf das Wesentliche“. Dieser Stuhl bestand ursprünglich aus Gasrohre und Fittings. Als Fittings bezeichnet man die Verbinder der Rohre. Zuvor hat es einen derartigen Stuhl nicht gegeben.


 

Die Stühle von Mart Stam wurden 1927 in der Weißenhof-Siedlung in Stuttgart bei der Werkbund-Ausstellung zum ersten Mal präsentiert.Dort fügten sich die Stühle perfekt in die moderne, kubische Architektur ein. Die Regie der Weißenhofsiedlung hatte übrigens Ludwig Mies van der Rohe. Diese Ausstellung zeigte Lösungen für das neue Wohnen und wurde international enorm beachtet und heiß diskutiert. Stahlrohrmöbel wurden hier erstmals in größerem Umfang der Öffentlichkeit präsentiert.

 

Der Krag-Stuhl inspirierte auch weitere Schüler und Lehrer am Bauhaus. Zwei Vorreiter waren Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe. Beide entwarfen ein ähnliches Modell. Obwohl Stam nach einem gerichtlichen Urteil als der Erfinder gilt, haben Breuer und Mies van der Rohe den Stuhl funktional und ästhetisch perfektioniert. Mies van der Rohe haben wir es zu verdanken, dass der Stuhl „Freischwinger“ genannt wird, weil er die federnde Wirkung vom Stahlrohr gekonnt ausnutzte und so für mehr Komfort sorgte. Die Beine hat er wie Kufen an einem Schlitten rund gestaltet. Auch Breuer hat die federnde Wirkung des Stuhls ausgenutzt. Indem er die Radien der Ecken vergrößerte, brach er die strenge kubische Form von Stams Entwurf auf. Marcel Breuers Modell verkaufte sich weltweit am besten. Viele Modell-Variationen des Krag-Stuhls folgten. Der heutige Hersteller der drei Krag-Stühle ist Thonet.

 

Nach dem Wiener Stuhl, der Epoche von Glühbirne und Fahrrad, dem Flugzeug und dem Radio folgte der Krag-Stuhl. Wiener Stuhl und Krag-Stuhl waren für die industrielle Fertigung gedacht. Der Krag-Stuhl war leichter herzustellen, zeitloser und moderner als der Wiener Holzstuhl.

 

Den wenigsten war derzeit bewusst, dass der Krag-Stuhl als schlichtes aber körpernahes Möbelstück das bekannte Bild unserer Umwelt bestimmen und verändern würde; dieser Stuhl wurde zu einem Zeitsymbol. Die zeitlose Erscheinung macht diesen Stuhl zu einem Meilenstein des Designs. Noch heute inspiriert der Krag-Stuhl Designer, Architekten und Innenarchitekten. Einige folgten alten Konstruktionsprinzipien mit neuen Materialien. Andere wiederum nutzten die alten Materialien und folgten neuen Konstruktionsprinzipien.

 

Designer die Geschichte schrieben

 

Charles Eames war der erste Möbeldesigner, der Versuche mit glasfaserverstärktem Kunststoff machte und neue Design-Ansätze für den Möbelbau anwendete. Obwohl Eames Hochbauarchitektur studiert hat, waren es Möbelentwürfe, die seine gesamte Aufmerksamkeit erregten. Die Abhängigkeit von vielen Mitentscheidern gefiel ihm einfach nicht. Eliel Saarinen, finischer Architekt und Mitbegründer der Cranbrook Academy of Art, erkannte Eames Potenzial. Er verschaffte Eames ein Stipendium als Lehrkraft im Bereich des experimentellen Designs. Eliel Saarinen selbst spielt eine bedeutende Rolle in der Geschichte des modernen Designs und der Architektur Amerikas. Die Cranbrook Academy kann kurzgefasst als das Bauhaus der USA beschrieben werden. Dort trafen sich führende Kunsthandwerker, Gestalter und Künstler zum gemeinschaftlichen Austausch.

 

Eames war ein Gestalter, der in allen technischen und gestalterischen Vorgängen als Problemlöser agierte und der seinen Mitmenschen gegenüber immer sehr respektvoll handelte. Ob als Lehrpersönlichkeit oder Chef, bei jedem hat er einen besonderen Eindruck hinterlassen. Er behauptete von sich selbst, immer nur das gemacht zu haben, was ihm Freude bereitet hat und das erkennt man auch an seinen Arbeiten. Gemeinsam mit Eero Saarinen, dem Sohn von Iliel Saarinen, experimentierte er zunächst mit dreidimensional verformtem Schichtholz. Bei dem Design-Wettbewerb „Organic Design in Home Furnishings“ des Museums of Modern Art, kurz MoMa genannt, 1941, stellten Eames und Saarinen neben Entwürfen von Tischen und eines Schrankanbausystems einen weich geschwungenen, organisch geformten Schalensessel aus formgepresstem Schichtholz vor. Derzeit eine Neuerung. Obwohl die Gestalter mit wenig bekannten Design-Ansätzen antraten, wurden die gezeigten Möbel in fast allen Kategorien prämiert. Die Form des Schalensessels war dem menschlichen Körper nachempfunden und dadurch sehr bequem. Sie hatten beide das Potenzial der organisch geformten Stühle und Sessel erkannt und dies prägte dann auch alle folgenden Arbeiten. Dieses Projekt verschaffte Eames zwar den beruflichen Durchbruch aber wegen mangelnder Rohstoffe und technischem Gerät in der Kriegszeit, wurde das Konzept zunächst nicht umgesetzt.

 

Privat ergeben sich im selben Jahr für Charles Eames folgenreiche Veränderungen: er heiratet die Künstlerin Ray Kaiser, die er bei der Arbeit für den Organic-Design-Wettbewerb kennengelernt hatte. Ray stand ihm künftig bei allen seinen Arbeiten stets zur Seite.

Im Jahr ihrer Heirat gründeten sie in Los Angeles eine gemeinsame Designerwerkstatt, in der sie nach effektiveren und preiswerteren Methoden für die Schichtholzverformung suchten. Eames wollte seine Entwürfe einem breiten Publikum zugängig machen. Er erkannte, dass das Design dafür da war, den Menschen zu einem besseren Leben zu verhelfen und das zahlte sich später auch aus. Mit der selbstkonstruierten „Kazam“-Maschine stellten sie aus formgepresstem Schichtholz Beinschienen für die US-Armee, Tragen, Flugzeugteile und schließlich sogar Kindermöbel her. Diese Maschine wurde von Augenzeugen als gefährlich eingestuft. Was nicht selbstverständlich für Designer war, ist das Charles Eames alle Arbeiten, die dann folgten, auch Ray Eames in gleichem Maß zusprach. Die Anteile an den Möbelentwürfen wurden somit geteilt.

 

Wieder zeigt sich der Übergang vom Krieg zum Frieden als Glücksfall. Know-how aus militärischen Forschungen wurde für die freien Märkte zugänglich und die heimkehrenden Soldaten brauchten für ihre Familien neue Wohnungen und neue Möbel. Charles Eames entwarf sie und hatte 1945 schon mit seinen ersten Stühlen große Erfolge.


1948 bekam Charles Eames einen Forschungsauftrag des New Yorker MoMa mit dem Ziel, neue Möbelformen zu entwickeln. Weitere Experimente mit glasfaserverstärktem Kunststoff führten dann zu Kunststoffstühlen, deren Herstellung sich als deutlich günstiger erwies und die schließlich im Jahr 1950 in die Großproduktion gingen. Damit begann die erste Serienproduktion eines einteiligen Schalensitzes, dessen Oberfläche wegen seiner organischen, sich am menschlichen Körper orientierenden und deshalb äußerst bequemen Form eigentlich keine Polsterung benötigte. Die Einzel-Bauelemente, Sitzschale und Untergestell, konnten zu verschiedenen Modellvarianten kombiniert werden. Die kommerzielle Serienanfertigung bot die Möglichkeit, Designergegenstände sowohl wirtschaftlich als auch schnell herzustellen. Das Design der Eames-Stühle, das so leicht aussieht, ist das Ergebnis endloser Versuche. Zwar war Charles Eames ein Leben lang Freund der spielerischen Gestaltung, aber bei seinen Möbel ging er wie ein Forscher voran, nutzte neue Technologien und Materialneuerungen und deklinierte sie systematisch durch. Die Arbeiten des Paares sind von Detailverliebtheit geprägt. Die Produkte tragen einen Ausdruck von Unbeschwertheit und Leichtigkeit. Man kann in Ihren Arbeiten ein Zeichen von purem Optimismus und einer besseren Zukunft sehen. Charles Eames sagte einst: „Das Detail ist kein Detail, sondern macht das Produkt.“

 

Die Praktikabilität der Architektur sollte in Elefantenjahren gemessen werden. Ob ein Design wirklich gut und nachhaltig ist, erweist sich erst nach langer Zeit. Qualität entsteht durch die Wahl richtiger Materialien und Formen. Dies merken wir, wenn sich der Klient, Kunde oder Patient heute wie vor 10 Jahren im selben Stuhl wohl fühlt. (Eero Saarinen)

 

Eero Saarinen wurde 1910 als Architekten- und Künstlersohn in Kirkkonummi, nahe Helsinki, Finnland in die Designwelt reingeboren. Nach seinem Skulpturenstudium in Paris (1929) und seinem Architekturstudium in Yale (1930-1934) arbeitete er in dem Architekturbüro seines erfolgreichen Vaters in Cranbrook. Dort lernte er, wie wir bereits erfahren haben, Charles Eames kennen, mit dem er die Leidenschaft zum Möbeldesign teilte. Dieselben Prinzipien und Erkenntnisse wendete Saarinen später als Eames für seinen Tulip-Chair 1955 an. Die damalige Technologie machte es ihm lange unmöglich, einen Stuhl aus einem einzigen Material, wie aus einem Guss zu schaffen. Daher die Verzögerung. Seiner Ideal-Vorstellung nach, wollte er mit dem Wirrwarr an Füßen aufräumen. Eine Säule sollte seinen Stuhl prägen. An seinem Stuhl ist keine gerade Linie zu erkennen. Der Tulpenfuß wurde aus Aluminium gegossen und anschließend mit Kunststoff überzogen, um den Materialmix zu kaschieren. Die Sitzschale bestand aus fiberglasverstärktem Polyester. Auch er wendete sich vom strengen Funktionalismus der europäischen Moderne ab, indem er diesen mit organischen Formen milderte.

 

Im Gegensatz zu Eames machte sich Saarinen auch einen guten Namen als großartiger Architekten. Sein bekanntestes Werk ist der TWA Terminal des J. F. Kennedy Airport in New York. Auch hier erkennt man die skulpturale Handschrift seiner Arbeit. Eero Saarinen gilt auch als der Entdecker des Entwurfs des Opernhauses in Sydney. Laut der Legende kam Saarinen 1957 um Tage verspätet zur internationalen Jury in Sydney an und zog aus den bereits ausgeschiedenen Entwürfen ein Blatt mit den Worten: „Hier meine Damen und Herren ist Ihr Opernhaus“. Die internationale Ausschreibung, zu der 233 Vorschläge eingereicht worden waren, gewann der schon damals bekannte dänische Architekt Jørn Oberg Utzon, der sich zum ersten Mal außerhalb Dänemarks beteiligte. Die internationale Jury entschied sich auf den zweiten Blick für seinen Entwurf.

 

 

 

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